Baby-Business Leihmutterschaft

Text: Michaela Peterstorfer

Image by pch.vector on Freepik

Mitte März 2022 erreichten die russischen Truppen die Stadt Kiew. Während Tausende über die Grenze flohen, harrten sie aus – die Leihmütter der Ukraine. Im Bombenhagel der Gefechte brachten sie schließlich ihre Kinder zur Welt. Nein, nicht ihre Kinder. Es sind die Kinder der genetischen Eltern aus Deutschland, Frankreich, Spanien oder China.  

Der Ukrainekrieg warf somit ein grelles Licht auf einen höchst sensiblen wie prekären Bereich, vor dem sich die Weltöffentlichkeit gerne wegduckt. Es geht um das Schicksal vieler Paare und deren Scheitern, eigene Kinder zu bekommen, und um „Wunscherfüllerinnen“, deren Körper vermarktet werden. Es geht um Ethik und Moral und den Vorwurf des Kinderhandels. Die Leihmutterschaft ist zu einem Business geworden. Ein weltweites Phänomen. 

„Die Bilder, die uns aus der umkämpften Stadt Kiew erreichten, waren aufrüttelnd, doch das Thema ist nicht neu. Es wurde durch den Krieg nur verschärft und sichtbar gemacht“, sagt Eva Maria Bachinger. Die Journalistin und Autorin brachte bereits 2015 ein Buch unter dem Titel „Kind auf Bestellung“ heraus, das sich mit den Schattenseiten der  Reproduktionsmedizin auseinandersetzt. Zusammen mit dem Verein  „Stoppt Leihmutterschaft“ der Wiener Bioethikerin Susanne Kummer und anderen prominenten UnterstützerInnen wie Elfriede Hammerl, Alice Schwarzer u.a. startete sie eine Online-Petition zu einem internationalen Verbot der kommerziellen Leihmutterschaft, die als neue und moderne Form des Menschen- und Kinderhandels bezeichnet wird (www.imabe.org/).

In Österreich wie in den meisten europäischen Ländern ist Leihmutterschaft illegal. Paare mit unerfülltem Kinderwunsch wenden sich daher an deutsche oder ukrainische Agenturen. Diese stehen den biologischen Eltern und den Leihmüttern vom ersten Gespräch und der medizinische Behandlung bis zur Ausreise des Kindes zur Seite. Als Leihmütter bevorzugt werden dabei Frauen, die bereits ein Kind haben – weil Erstgebärende nicht einschätzen können, wie stark die Gefühle für das Kind sind. Die Altersgrenze liegt, je nach Klinik, bei 50 Jahren.

ENTSCHEIDEND SIND DIE KOSTEN DER „LEISTUNG“

Entscheidend aber sind die Kosten. In den USA verlangen Agenturen für ihre Dienste bis zu 60.000 US-Dollar, dazu kommen zwischen 20.000 und 40.000 US-Dollar für die Leihmutter, Notar-, Anwalts- und Flugkosten. Wird zusätzlich noch eine Eizellen- oder Samenspende benötigt, sind bis zu 20.000 Dollar fällig. Oder mehr.

Länder wie die Ukraine bieten ihre „Leistung“ zu wesentlich geringeren Preisen an und das, wie betont wird, auf hohem medizinischen Niveau. Die Kosten belaufen sich zwischen 30.000 und 50. 000 Euro. 10.000 bis 20.000 Euro davon bekommen die Leihmütter – was in der Ukraine dem sechsfachen Jahresgehalt eines Lehrers entspricht und für ein kleines Haus oder eine Wohnung reichen kann. 

Sofern nicht gerade Krieg ist, funktioniert das System perfekt. Die Wunscheltern reisen zur Geburt an, die Leihmutter bestätigt die Vaterschaft des Vaters, dessen Partnerin adoptiert dann das Kind. Alles im rechtlichen Rahmen. 2000 bis 2500 Geburten finden jährlich in der Ukraine statt – für Kunden, die zu 90 Prozent aus dem Ausland stammen. In der Branche wird die Ukraine bereits als „Gebärmutter Europas“ bezeichnet. Die New York Times schreibt von aktuell um die 600 schwangeren Leihmüttern. Offizielle Statistiken gibt es nicht, denn die Zahlen der Reproduktionsstatistiken müssen nicht an das Gesundheitsministerium weitergeleitet werden. 

„DER FRAUENKÖRPER WIRD KOMMERZIALISIERT“

Weils das Phänomen um den günstigsten Preis der Marktlogik folgt, steht der Verdacht der Ausbeutung im Raum und wird dadurch genährt, dass sich vor allem Frauen aus Schwellen- und Entwicklungsländern – wie Indien oder Thailand – als Leihmütter anbieten. So werde der Frauenkörper, wie Eva Maria Bachinger betont, durch und durch kommerzialisiert. Schwangerschaft werde zur Dienstleistung und das Produkt dieser Arbeit sei das Kind. Das gesunde Kind.  

Wodurch die Abtreibung als Faktor hinzukommt. Verträge in den USA enthalten beispielsweise die Pflicht der Leihmutter, das Kind auf Wunsch der Besteller abzutreiben. Verschiedene Fälle sind bekannt, in denen das Ergebnis nicht der Erwartung entsprach – Drillinge statt einem Kind, Junge statt Mädchen –, sodass die Besteller auf Abtreibung bestanden oder die Neugeborenen nicht abholten. 

INFLUENCERINNEN TEILEN BABYFOTOS IM NETZ

Begonnen hat alles sehr einfach. Die erste Leihmutterschaft fand 1985 im Vereinigten Königreich statt: Kim Cotton brachte für ein kinderloses Paar ein Kind zur Welt. Für die Leistung erhielt sie 6.500 Pfund und verkaufte die Geschichte für weitere 15.000 Pfund an eine Zeitung. Aus den Einzelfällen wurden mehr. Es folgten Berichte von Leihmutterschaften innerhalb der Familie – ohne kommerziellen Hintergrund. 2020 erfüllte sich der Kinderwunsch der Influencerin Breanna Lockwood dank Breannas eigener Mutter. Die Geschichte wurde millionenfach im Netz geteilt.

So ist es auch jetzt. Wenn allerdings Paare auf Facebook mit entzückenden Babybildern von ihren Erfahrungen mit der Agentur XY ins Schwärmen geraten, werden Zweifel laut, ob nicht auch Vermittlungsprovisionen eine Rolle spielen könnten. Und da wäre auch der prominente Fall der Kim Kardashian, Model und Reality-TV-Star aus den USA, die sich Kind Nummer drei und vier von einer Leihmutter austragen ließ. 

DEUTSCHLANDS DEBATTE UM LEGALISIERUNG 

Das Thema ist also nach wie vor evident. Zurzeit treibt die FDP im deutschen Bundestag die Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft voran. Argumentiert wird damit, dass etwa ein Viertel der Frauen und Männer Deutschlands im Alter zwischen 20 und 50 Jahren ungewollt kinderlos seien und ihnen dadurch geholfen werden könne. Leihmutterschaft aus „Nächstenliebe“ solle erlaubt werden, finden die Liberalen. Das aber hält Eva Maria Bachinger wie auch eine Reihe von JournalistInnen,  WissenschaftlerInnen und das „Netzwerk GenEthik“ für eine Farce. „Es wird mit einer Aufwandsentschädigung argumentiert und als große, selbstlose Leihmutterschaft bezeichnet. In Wahrheit ist es eine Chimäre.“

Und schließlich gebe es auch andere Wege, eine Familie zu gründen. Es sind die vielen, vielen Kinder, die schon da sind und dringend Eltern brauchen. Darauf werde im Ranking um die beste Leihmutterschaft leider vergessen.

Was bedeutet Leihmutterschaft?

In der medizinischen Theorie besteht eine Leihmutterschaft dann, wenn eine Frau ein mit ihr nicht genetisch verwandtes Kind austrägt, das heißt, wenn ihr eine bereits befruchtete Eizelle eingesetzt wurde.

Bei der kommerziellen Leihmuttermutterschaft erhält die Frau eine finanzielle Unterstützung. Erlaubt ist diese Form der Leihmutterschaft in der Ukraine, in Georgien, Russland und Südafrika, auch in Indien, aber nur für indische Paare, in Mexiko nur für mexikanische Paare, in den USA in den meisten Staaten, wenn auch mit unterschiedlichen Regelungen. 

Für die altruistische Leihmutterschaft erhält die Frau keinen finanziellen Ausgleich. Sie tut dies aus selbstlosen Motiven, um dem Paar zu helfen, den Kinderwunsch zu erfüllen. Altruistische Leihmutterschaft ist in den folgenden Ländern legal: Irland, Belgien, Dänemark, Griechenland, Lettland, Großbritannien, Kanada, Australien und in den Niederlanden.

Die mobile Version verlassen