Die Gastronomie, des Österreichers zweites Wohnzimmer! Unsere Redakteurin Michaela Petersdorfer warf einen Blick hinter die Kulissen.
„Jössas, da Ferdl!“ Der solcherart Angeschriene erhält von hinten einen kräftigen Schlag auf die Schulter, dass ihm, dem Ferdl, beinahe das Trinkglas aus der Hand fällt. Fast scheint es, als hätte er schon ein versteiftes Genick ob seines zweistündigen Ausharrens am angestammten Tisch, gemeinhin Stammtisch genannt.
Ferdl war der erste in seinem Wirtshaus an besagtem Stammtisch nach Ende des Lockdowns als die Gastro wieder öffnete. Die Maske trug er am Kinn. Nein, sagt er, beim Hereinkommen habe er sie „eh“ richtig aufgesetzt, aber: „Die druckt ma imma meine Ohrwaschln so firi!“
Wichtiger Ort sozialen und kommunikativen Lebens
Um Schönheit geht es nicht an den österreichischen Stammtischen, so viel steht fest. Es geht ums Zusammenkommen. Insofern ist das Wirtshaus einer der wichtigsten Orte sozialen und kommunikativen Lebens in unserem Land. Man trifft sich am Sonntagvormittag, an diversen Abenden und ganz sicher am Freitag. So traf man sich schon immer beim Wirtn ums Eck, wobei Männerstammtische überwiegen, während sich Frauen eher auf einen Kaffee treffen oder auf einen Drink.
Stößt eine Frau zum Männerstammtisch, ist der Schmäh sowieso hin. Man(n) kann keine deftigen Witze mehr erzählen und schon gar nicht mit politisch inkorrekten Sprüchen punkten. Es läuft anders, wenn Frauen am Tisch sitzen, selbst die Kartenrunde. Aber ja, auch reine Frauentische haben’s in sich und Männer dürfen auch gerne „zuwaruckn“.
Im Stammwirtshaus laufen die Bestellungen immer gleich ab. Der Wirt, die Wirtin kennt die Gäste. Oft steht schon beim Betreten das Seiterl am Tisch, da brauchen der Ferdl, der Gustl, der Herr Doktor, der Herr Ingenieur eigentlich gar nichts zu sagen.
Frauen bestellen anders. „Bitte ein Mineral, aber ein warmes von heraussen!“ Frau studiert auch gerne die Getränkekarte. Frau bestellt meistens ein Achterl oder einen G‘spitztn. Beim Mann, naja, dessen Vorlieben kennt der Wirt ja zur Genüge – und gibt’s einmal einen neuen Wein, hält er die Nase tief in das Glas. Passt! Gespeist werden gerne diverse Tagesmenüs. Steht ein Schweinsbraten auf der Karte, ist er gleich weg wie die warmen Semmeln(knödeln).
Z’haus im Wirtshaus
Während der kargen Monate des Lockdowns wurden die Menschen in unterschiedlichen Ländern befragt, was ihnen am meisten fehle. Sport, Sauna, Fitnessstudio, das Shoppen generell und danach ein Kaffee mit FreundInnen, das Restaurant, Reisen und vieles mehr. Herr und Frau Österreicher allerdings brachten es – zumeist – ganz schnell auf den Punkt: „Das Wirtshaus“, in Wien das „Beisl“!
„Ich liebe die öffentlichen Orte nicht! Ich geh‘ daher auch für gewöhnlich immer nur in die Wirtshäuser, wo ich z’Haus bin“, meinte schon Johann Nestroy, das Urgestein österreichischer Wesensart. Und er spricht damit die „Seele“ an, die Seele sind die Menschen im Gastgewerbe, die ihr Geschäft verstehen. Die, die ihre Gäste willkommen heißen und ihnen schon beim Betreten mit freundlichem Gsicht ein „Griass eich!“ entgegenschmettern. Die Rosi vom Martschin in Gunskirchen zum Beispiel: „Gfreit mi dass’d do bist, i hob di schau so lang nimma gsegn!“
Wie geht’s nach dem Lockdown weiter?
Gösserbräu
Das ist das Traditionswirtshaus in Wels par excellence. Die wenigstens werden wissen oder sich gar erinnern, dass einst sogar Filmszenen mit Theo Lingen und Harald Juhnke hier gedreht worden sind. Wels war in den 50-ern eine Filmstadt und nutzte den Gastgarten des Gösser Bräu der Familie Wanik als Kulisse.
„Ein Bierzapf ist ein gutes Gewerbe“, wusste schon William Shakespeare. Daher und nicht nur deswegen läuft es seit der Öffnung wieder hervorragend beim Gösser. „Wir haben keine Einbußen und sind wirklich sehr zufrieden“, sagt Seniorchef Jörg Wanik, dessen Haus bereits von den Töchtern Anna und Eva geführt wird.
Das Gösser ist das Wirtshaus mit täglichen Öffnungszeiten. An fünf bis zehn verschiedenen Stammtischen täglich trifft sich „halb“ Wels und – man sucht dringend MitarbeiterInnnen, ein leidiges allzu bekanntes Problem in der Branche.
Bayrischer Hof
„Wir suchen auch Personal, aber es geht. Wir haben gutes Stammpersonal“, sagt Alexandra Platzer vom Bayrischen Hof. Die Juniorchefin des traditionsreichen Hauses in vierter Generation erklärt den Unterschied zwischen Wirtshaus und Gasthaus. In ersterem wird gespeist und getrunken, das zweite beinhaltet auch Übernachtungen. Das Geschäft gehe gut, sagt sie, sehr gut sogar.
Weihnachtsfeiern werden schon gebucht und ja, natürlich sind auch die Stammtische wieder zurück seit der Öffnung im Mai. Dass sich Seniorchef Helmut Platzer immer wieder mal bei den Gästen blicken lässt, versteht sich von selbst. „Meine Eltern sind die guten Seelen im Hintergrund!“ Und klar, auch sie kennen die Vorlieben ihrer Gäste. Da geht es nicht nur ums Getränk, sondern auch um das Behältnis, das Glas. „Manche wollen Henkelgläser, manche wollen das gar nicht.“
Hudernwirt
Der Welser/die Welserin schwingt sich gern aufs Rad und fährt hinaus aufs Land. Besonders beliebt dabei ist d‘Hudern, die Gaststätte in Steinhaus bei Wels, und Hudern hat mit Hudeln rein gar nichts zu tun im Wirtshaus der Familie Thomas und Maria Wallner. Flink, aber nicht stressig und immer mit freundlichem Lächeln – so funktioniert das Service seit jeher in diesem Haus.
Auch die Stammtische sind zurück und die Gäste sowieso. Was man hier schätzt, ist die bewusst gelebte Regionalität bei den Speisen. Schweinefleisch kommt aus dem eigenen Stall, auch Forellen und Karpfen werden gezüchtet. Freitag und Samstag ist Ruhetag, weil „es uns schon zu stark ist“, sagt Thomas Wallner. Das Ehepaar kann sich vor Arbeit schon „daschtessn“, so viel Gschäft is, und Gott sei Dank hat man auch hier das Personal halten können. „Nochmal zusperren wäre aber der Wahnsinn!“
Nein, liebe Wallners, das will definitiv keiner. Österreich ohne Wirtshaus ist wie der Fisch ohne Teich. Und wie sagt schon ein Kalenderspruch: „Am besten treibt man Wirtschaftskunde mit Fachleuten zur Abendstunde“. Prost!