Warum es Österreicher und Österreicherinnen nicht nach Hawaii zieht, ist durch Paul Kuhns Schlager hinlänglich bekannt – es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier, drum will er nicht nach Hawaii, drum bleibt er hier. In unserer schönen Alpenrepu-blik sieht die Sache freilich völlig anders aus. Ein (nicht ganz) bierernster Streifzug.
Herr und Frau Österreicher trinken pro Kopf jährlich etwa 100 Liter Bier – nur in Tschechien wird im europäischen Vergleich noch mehr konsumiert. Und Österreich hatte im Jahr 2021 mit 324 Braustätten eine der höchsten Brauerei-Dichte weltweit.
Während in Bayern die einen ganzen Liter fassende „Maß“ das Maß der bierigen Dinge ist, haben wir ÖsterreicherInnen es gern etwas handlicher: In den östlichen Bundesländern wird ein „Krügerl“ bestellt, in den westlichen eine „Halbe“ – bekommen tun wir überall das Gleiche: einen halben Liter Bier! Die niedliche kleine Schwester der Halbe ist das 0,33 Liter fassende „Seiterl“.
Sprit- und Bierpreis – Aufreger der Nation
Urlaubsorte werden nicht selten danach ausgewählt, wie viel dort die „Halbe“ kostet. Italien hat als Urlaubsziel seit Jahren einen Minuspunkt bei den Österreichern, denn das (teure) große Bier fasst dort lediglich 0,4 Liter.
Wenn der Bierpreis steigt, gerät unser Gemüt in Wallung. Medien berichten täglich über die enorme Teuerungswelle, nach Treibstoff werden auch die Produkte des täglichen Bedarfs teurer – zu denen man hierzulande selbstverständlich auch das Bier zählt!
Wir kaufen das Kultgetränk vorzugs-weise im Sonderangebot in Kisten, notfalls noch im Sechsertragerl. im Wirtshaus lieben wir es vom Fass, beim Grillen auch gern aus der Dose, das Gerücht vom Grillgut, das nur durch mehrmaliges Begießen mit Bier überhaupt genießbar wird, hält sich hartnäckig.
Der sich nach häufigem Biergenuss meist am männlichen Österreicher deutlich vorwölbende Bauch wird liebevoll als „Gössermuskel“ tituliert und ist quasi fixer Bestandteil des g’standenen Mannsbild vom Neusiedler- bis zum Bodensee.
Durstige Mönche und ein Schwechater Bierpionier
Doch ehe all diese typisch öster-reichischen Fakten und Traditionen rund um unser liebstes Getränk entstehen konnten, musste sich erst die Braukunst entwickeln. Dies begann – typisch österreichisch – im Dunstkreis der katholischen Kirche. Bereits im frühen Mittelalter verpflichteten die mit viel Muße, wenig weltlicher Ablenkung und
mitunter großem Durst ausgestatteten geistlichen Herren in den Klöstern die einfachen Bauern zum sogenannten „Bierdienst“. Die Tatsache „Liquidum non frangit ieunum“ – Flüssiges bricht das Fasten nicht – gab den Mönchen die Gelegenheit, auch an Fasttagen ungehemmt dem Biergenuss zu frönen. Nun war aber nicht jeder Bauer automatisch ein begnadeter Bierbrauer, also gingen die Klosterherren zur Selbstversorgung über, ließen sich nur noch die Rohstoffe liefern und begannen, ihr eigenes Süppchen bzw. Bierchen zu sieden. Die ersten Klosterbrauereien entstanden und über Jahrhunderte waren Österreichs Klöster ein Hort bester Braukunst!
Eine brautechnische Sensation gelang 1841 einem jungen Schwechater. Anton Dreher entwickelte das be-rühmt gewordene Brauverfahren zur Erzeugung eines untergärigen Lager-bieres, nach dem heute auf der ganzen Welt Bier hergestellt wird. Wir können stolz behaupten: Der größte Braumeister der Welt war ein Österreicher! Und das, obwohl Drehers Lehrherr, Georg Meichl, Brauereibesitzer in Simmering, seinem Lehrling gesagt haben soll „Du wirst das Bierbrauen nie erlernen, Toni, lass es sein.“
Bier als Wahlprogramm
Was mit unserem landestypischen „Schmäh“ und der einen oder anderen Halbe Bier alles möglich ist, zeigt der Werdegang eines jungen Wiener Arztes, der sich dem Bier auf besondere Weise verschrieben hat. 2015 gründete Dr. Dominik Wlazny alias Marco Pogo die Bierpartei Österreichs und trat als deren Spitzenkandidat 2019 zur Nationalratswahl an. Die in der Bundeshauptstadt plakatierten Sprüchen wie „Volle Krüge statt Lohnab-züge“ oder „Wo ein Wille, da Promille“ erreichten bereits während des Wahlkampfes Kultstatus, das Wahlprogramm war eine Mischung aus „Willkommen Österreich“-Satire und durchaus ernstzunehmenden Forderungen.
Die Bierpartei errang Sitze in mehreren Wiener Bezirksvertretungen. Heuer kandidiert Marco Pogo für das Amt des Bundespräsidenten. Dass Hopfen und Malz dafür nicht von vornherein verloren scheinen, ist irgendwie schon „typisch Österreich“!