Rund um den Jahreswechsel legen wir uns so einige gute Vorsätze bereit: Mehr Sport, gesündere Ernährung, weniger Alkohol, mehr Zeit für uns selbst, weniger Stress, Sparen, Tun, einen Neustart wagen. Nur um bald darauf festzustellen: schon wieder nicht geklappt. Die Vorsätze sind gescheitert, weil wir ihre Umsetzung vertagen. Gibt es Auswege aus der „Volkskrankheit Aufschieben“? Wir haben die Antwort!
Viel vorgenommen, wenig geschafft, ganz nach dem Motto: Was du heute kannst besorgen, das verschieb doch gleich auf morgen. Aufgaben vor sich herschieben tut die Menschheit schon immer. Jetzt wird die Kunst, nichts zu tun, obwohl die To-do-Liste immer länger wird, aber salonfähig gemacht – und das mit dem Begriff „Prokrastination“. Klingt kompliziert, Sie werden sich aber in unserem Beispiel mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederfinden: Eine wichtige Aufgabe wartet bereits seit Tagen darauf, erledigt zu werden. Bevor Sie sich aber an den Schreibtisch setzen, heißt es erst noch den Wäscheberg zu minimieren, sprich: akribisch genau weiß und bunt zu trennen und in die Waschmaschine zu werfen. Aus dem Wäschewaschen wird ein ganzer Wohnungsputz, dazwischen locken Pop-up-Nachrichten auf dem Smartphone-Bildschirm auf YouTube für den digitalen Konsum von ein paar Katzenvideos, bevor der Magen knurrt. Zeit zum Kochen! Selbst beim Essen werden Mails und Social Media gecheckt. Am Ende des Tages kommt´s Ihnen in den Sinn: Moment, war da nicht was? Ein ganzer Tag vorbei, die Wohnung zwar blitzblank sauber, aber Priorität Nummer Eins ist irgendwo zwischen Trocknerbälle und Likes in den Abgrund gerutscht. Morgen ist ja auch noch ein Tag …
Die Ursachen für Prokrastinieren
Aufschieben, das klingt nach Faulheit und fehlender Willensstärke. Doch keines von Beidem spielt eine entscheidende Rolle, vielmehr sind es Versagensängste, Selbstzweifel, hoher Leistungsdruck und Perfektionismus, die einen die Arbeit vor sich her schieben lassen. Heißt: Gerade Aufgaben, die man besonders gut erledigen möchte, machen auch am meisten Druck. Wer sich vor einem wichtigen Telefonat drückt und stattdessen gar nicht wichtige Mails sortiert oder erst noch die Blumen gießt, obwohl die Arbeit längst wartet, lässt sich vom „Aufschiebeverhalten“ leiten. Die Ersatztätigkeiten sind leicht umsetzbar und führen schneller zum Erfolg – das garantiert ein kurzfristig gutes Gefühl.
Aufschieben ist Gehirnsache
Wer ist jetzt also schuld an dem ganzen Aufschieben? „Das Gehirn!“, sind sich Forscher einig. Caroline Schlüter und ihr Team von Biopsychologen der Ruhr-Universität Bochum haben die Ursache für das Verhalten in unserem Gehirn gefunden. Dazu haben die Wissenschaftler verschiedene Hirnregionen von 264 Frauen und Männern im Kernspintomografen untersucht. Zwischen Personen, die ihre Aufgaben schnell erledigten, und denen, die als Aufschieber galten, gab es deutliche Unterschiede: Prokrastinierer hatten eine vergrößerte Amygdala, auch Mandelkern genannt. Ein Hirnareal, das als unser Gefühlszentrum gilt. Und das ist nun einmal ständig beschäftigt mit unserem emotionalen Denken: die Furcht vor negativen Konsequenten einer Handlung lässt einen Dinge aufschieben und hinauszögern.
Prokrastinieren als Chance
Das Internet ist voll von Tipps gegen das Prokrastinieren, Psychotherapeuten bieten Hilfestellungen an, an der Uni Münster bei unseren deutschen Nachbarn wurde sogar eine Prokrastinationsambulanz gegründet, in der chronische Aufschieber ein mehrere Wochen dauerndes Training absolvieren. Ob das Gehirn schuld ist, das persönliche Zeitmanagement oder einfach nur der innere Schweinehund: wer es damit übertreibt, immer alles liegen zu lassen, tut sich selbst meistens nichts Gutes. Aufschieben im großen Stil wird nämlich dann zum Problem, wenn die Psyche darunter leidet – und das tägliche Leben schwer wird. Gibt´s also auch eine gute Seite beim Nichtstun trotz Arbeit? Für den sogenannten „Erregungsaufschieber“ auf alle Fälle. Denn dieser Typ reagiert zwar erst auf den letzten Drücker – genießt aber den Kick, den der Hochdruck zum Schluss erzeugt. Gerade dadurch reifen bei ihm sozusagen die „schönsten Diamanten“ ihrer Arbeit. Selbst eingefleischte Prokrastinierer haben noch ein anderes Ass im Ärmel: sie haben jetzt die Chance, ihr ganzes Leben neu zu ordnen.
Raus aus der Aufschieber-Falle
Wir haben die besten Tipps!
1) Lernen Sie sich selbst kennen
Wenn Sie wissen, welcher Aufschieber-Typ Sie sind, wird Ihnen so einiges klar. Sie schieben aus Angst vor Fehlern die Arbeit auf? Brauchen vor dem Abarbeiten der Mails einen perfekt organisierten Arbeitsplatz? Brauchen Listen zum großen Glück oder kommen einfach nicht vom ständig klingelnden Smartphone weg? Nur, wer seine Schwachstellen kennt, kann gegenarbeiten.
2) Beginnen Sie sofort
Am besten jetzt! Sobald die unangenehmen Dinge erledigt sind, wird sich ein angenehmes Freiheitsgefühl im Körper ausbreiten. Am besten kurz und schmerzlos abarbeiten, sich zwar die Zeit nehmen, die die Aufgabe braucht, aber konzentriert bei der Sache bleiben. Wenn ein „jetzt“ gerade nicht möglich ist, kann sich, je nach Priorität an die 24-, 48- oder 72-Stunden-Regel halten. In dieser Zeit sollte man die Aufgabe dann auf den „erledigt“-Stapel legen.
3) Seien Sie realistisch
Aufschieber neigen zur Alles-oder-Nichts-Haltung, immerhin sind sie meistens eher perfektionistisch veranlagt. Natürlich sollte man das große Ganze nicht aus den Augen verlieren, aber kleine Schritte und einzelne Etappen sind besser als große Sprünge.
4) Bringen Sie Routinen in den Alltag
Wer sich um einen geregelten Tagesablauf bemüht oder bestimmte Aufgaben immer wieder zu selben Zeit erledigt, vermeidet das Aufschieben systematisch. Mails um 8 Uhr, Telefonate um 10 Uhr, dafür gibt´s um halb 11 Kaffeepause – Routine macht den Meister!
5) Sagen Sie öfter Nein
Wer den Mut hat, öfter Nein zu sagen, wird schon bald Erfolge sehen. Einfach mal weniger für andere funktionieren, dafür aber ein großes Stück mehr für sich selbst, das tut Geist und Seele gut. Doppelt gemoppelt: Nein sagen kann gleich Ihr erster Vorsatz fürs Jahr 2022 werden – und gleichzeitig der erste Schritt gegen das Prokrastinieren.