TYPISCH ÖSTERREICH

Text: Michaela Peterstorfer

Foto: Liebenswert.Magazin.de, 123RF TEXT: Michaela Peterstorfer

In unserer neuen Serie versuchen wir uns an einem Psychogramm und einer Analyse der österreichischen Seele, um zu ergründen, ob es ihn tatsächlich gibt, den „Homo Austriacus“. Mia san mia, immerhin, aber wer sind wir denn? Was gehört zur Authentizität einer Österreicherin/eines Österreichers? Gibt es so etwas wie das österreichische Wesen – und was macht unsere Identität aus?

Diese WIB-Ausgabe ist den Frauen gewidmet, somit befassen wir uns zum Thema passend vorerst einmal mit dem weiblichen Typus und hier vor allem mit Persönlichkeiten aus der sogenannten guten alten Zeit. Die ÖsterreicherInnen betrachten grundsätzlich alles Vergangene als das Maß aller Dinge: „Früha woa ois bessa!“ War es das tatsächlich? Frau zu sein, das bedeutete bis vor wenigen Jahren eine spärlich definierte Rolle: die der Mutter und Hausfrau, der Strickrundenleiterin und Goldhaubenfrau, nicht aber die der Geschäftsführerin, Abteilungsleiterin oder gar Politikerin. Kein Wunder, dass sich die Satire diesem Typus in maximaler Boshaftigkeit näherte.  

Üppig, aus allen Kleidernähten platz-end, vulgär, scheinheilig – so karikierte Manfred Deix die ÖsterreicherInnen und adressierte seinen Spott vor allem an das Spießbürgerliche in uns. Deutschland ergötzte und zerkugelte sich an den Deix-Karikaturen, die es den Ösis angetan haben, die ÖsterreicherInnen distanzierten sich mit „Deppat“, „Ah geh“, was nichts anderes heißt als „Ordinär“ oder „Eh scho wissen, da Deix“. Dabei traf der 2016 verstorbene Zeichner mit seinen ins Lächerliche verzerrten Darstellungen ins Mark. 

Mit den Deixfiguren zeigten sich Herr und Frau Österreicher nicht immer einverstanden, aber ein Museum bekam er doch, unser Herr Deix, Gott hab ihn selig.

Was wiederum typisch ist für Österreich: „Einerseits gilt man als konservativ und konfliktscheu, andererseits werden in keinem anderen europäischen Land Künstler so geschätzt und gefördert wie in der Alpenrepublik. Sogar passionierte Nestbeschmutzer werden mit Ehren überhäuft, die meisten, wie Thomas Bernhard, nach ihrem Ableben, einige, wie Manfred Deix, schon zu Lebzeiten“, schreibt der SPIEGEL.

Österreich schimpft, und das ausgesprochen gern. Früher an Stammtischen, heute im Netz. Aber wehe, wenn das Anschwärzen von Nicht-Österreichern kommt. Der legendäre Kabarettist Karl Farkas (1883-1971)  brachte es mit feiner jüdischer Klinge auf den Punkt: „Ein Patriot ist ein Mann, der böse wird, wenn ein Fremder Österreich kritisiert, so wie er es selbst immer tut.“  Gilt auch für Frauen.

Aber keine Angst: Die Sicht der Nicht-Österreicher auf die Alpenrepublik ist oft ungemein wohlwollend. Als Beispiel gilt die graduierte Historikerin Dorothy Gies McGuigan aus den USA, die zwölf Jahre lang hier lebte und sich dabei intensiv in die Geschichte der Habsburger vertiefte. Eine 672-Seiten-Chronik ist die Folge und somit ein Familienroman, der die Buddenbrooks und Forsythes dieser Welt verblassen lässt. Dabei nimmt die Grande Dame der Dynastie, Kaiserin Maria Theresia, eine Sonderposition ein. 

Sie ist überhaupt die Urmutter der Nation, eine große, weitblickende Reformerin und Modernisiererin ihrer Zeit (1717-1780). Jeder in Österreich ist theresianisch geprägt – und wenn es nur indirekt über die von ihr eingeführte und bis heute geltende Schulpflicht geschieht. Ihre Art, das „Haus Habsburg“ weniger mit Kriegen als mit strikter Heiratspolitik zu vergrößern, sicherte den Fortbestand und Einfluss in Europa. Meistens gelangen die arrangierten Ehen, manchmal endeten sie desaströs. Wie etwa im Fall Marie Antoinettes. 

„Dann sollen sie doch Kuchen essen“ 

Wegen ihrer jahrelangen Kinder-losigkeit und Verschwendungssucht, angeheizt durch Intrigen am französischen Hof, war die jüngste Tochter Maria Theresias beim Volk verhasst. Als sie von Hungersnöten hörte, soll sie „Qùils mangent de la brioche“ gesagt haben. Oft wird dies mit „Dann sollen sie doch Kuchen essen“ übersetzt, jedoch ist Brioche eine Art Kuchenbrot aus Hefeteig, keine üppige Torte. Dennoch blieb das Zitat an ihr haften. Marie Antoinette wurde am 16. Oktober 1793 im Zuge der französischen Revolution enthauptet.

Der Ausspruch wird noch heute gerne und oft in den Mund genommen, wenngleich die Zuordnung ein Mythos ist. Tatsache ist, er wurde bereits Jahre vor ihrer Thronbesteigung von Jean-Jacques Rousseau um 1766 zitiert. Somit lässt sich rückblickend sagen, die Habsburgertochter war eines der ersten Opfer von bewusst in Umlauf gebrachten Fake News mit dem Ziel, ein Regime zu stürzen. Weniger bekannt sind ihre letzten Worte, die von königlicher Würde zeugen: „Pardon, Monsieur“. Marie Antoinette war versehentlich auf den Fuß des Henkers getreten. 

Ja, der Tod! So makaber es klingt, aber auch das ist typisch: Im schönen Land Österreich hegt man eine gewisse Vorliebe fürs Sterben. Oh nein, keiner will es selbst, und schon gar nicht vorzeitig „a Bankl reissen“, aber Herr und Frau Österreicher gehen gerne auf ein Begräbnis. Sind es viele, die der Zeremonie beiwohnen, nennt man es „a schene Leich‘“. „Es lebe der Zentralfriedhof“ singt Wolferl Ambros und rühmt dabei alle Toten am zweitgrößten Friedhof Europas, der zu den Sehenswürdigkeiten von Wien gehört.

Sissi, fast schon ein Weltkulturerbe

Leider ruht die berühmte öster-reichische Schauspielerin Romy Schneider nicht hier, sondern in Frankreich. Das wird ihr niemals verziehen und doch bleibt ihr Ruhm unvergessen. Die Lizenzen der drei Sissi-Verfilmungen sind weltweit verkauft – von Brasilien bis Japan. „Fast schon ein Weltkulturerbe“, nannte es Regisseur Michael „Bully“ Herbig, als er 2007 seine Parodie „Lissi und der wilde Kaiser“ in die Kinos brachte.

Unsterblich jedenfalls ist auch die Sachertorte, und mit ihr Anna Sacher, die weltweit erste Direktorin eines Grand Hotels.  Anna war –  vergleichbar mit Maria Theresia – ungewöhnlich modern und emanzipiert.

Sie baute ein einflussreiches Netzwerk auf und verstand es, Menschen aus verschiedensten Kreisen zusammenzubringen. Die zigarren-rauchende Hoteldirektorin war eine Meisterin der Diskretion. 

Zu Weltruhm brachten es die Buchteln vom Café Hawelka zwar nicht, aber dennoch zu einem Synonym für Wiener Originalität. Jeden Abend ab zehn Uhr tischte Josefine Hawelka die selbstgebackenen Buchteln auf, bis sie 2005 im Alter von 91 Jahren an Herzversagen starb. „Mit ihr ging auch ein gutes Stück granteliger Freundlichkeit verloren, für die Wien weltbekannt ist“, schrieb die faz, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, in einem Nachruf.  

Die Kaffeehauskultur gehört zu Österreich wie der Prater zu Wien. Eine der originellsten und legendärsten Figuren dieses Genres war die 2005 verstorbene Josefine Hawelka – samt ihrem Grant und Buchteln.

„Irgendwann muss ja mal die erste Frau her“

Es lebe das österreichische Wesen, möchte man rufen, das so grantig wie originell wie speziell sein kann, früher wie heute. Dass die Übergangskanzlerin der jüngsten Vergangenheit, Dr. Brigitte Bierlein, nach einem Alkotest ihren Führerschein abgeben musste, war wieder ein Grund für die Karikaturisten zum Stift zu greifen: Bierlein mit Bier. Sie jedenfalls war die erste Bundeskanzlerin, die es in Österreich je gab. „Irgendwann muss ja mal die erste Frau her“, wird sie zitiert. Für ihre 0,8 Promille hat sie sich entschuldigt und Österreich hat ihr verziehen. Immerhin war die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs als Kopf der Übergangs-regierung nach der Ibiza-Affäre äuß-erst beliebt.

„So sind wir nicht!“  Von wem dieser Ausspruch stammt, weiß in Österreich jedes Kind. Aber wenn wir „so“ nicht sind, wie sind wir dann? Was unterscheidet uns von den Deutschen und warum ist Oberösterreich ganz anders als Wien? 

„Typisch Österreich“ Teil 2 in der nächsten Ausgabe der WIR IM BILD.

ZUM WEITERLESEN HIER KLICKEN.

Die mobile Version verlassen