Ghostwriting – Die stille Kunst im Schatten

Text: Rafael Haslauer

FOTO: 123RF-cendeced

Jeder Roman, jeder Artikel und jedes Gedicht berichtet über einen Ausschnitt eines Lebens. Doch hinter vielen dieser Werke verbirgt sich eine weitere, oft unerzählte Geschichte – die des Ghostwriters. Bei Weitem nicht jedes Buch wurde vom vermeintlichen Autor selbst verfasst – unser Redakteur berichtet von einer Welt, die wenig beachtet doch einiges an Überraschungen zu bieten hat.

Lange war er geblendet – von der Romantik des Schreibens. Träumte davon, Geschichten zu erzählen, die Herzen berühren und Gedanken hervorrufen. Sah seinen Namen auf Buchcovern prangen und die Menschen seine Worte lesen. Das Erfassen des Lebens mit allen Sinnen, nur um es später niederzuschreiben und zu hoffen, es würde dem einsamen Leser tiefgreifende Reaktionen entlocken. Schlaflose Nächte vor der Veröffentlichung und das vage Bewusstsein, dass es doch nur das Ego ist, das nach Bestätigung schreit. 

Genauso sah unser Autor die Schriftstellerei – mit unschuldig verträumten Augen, bis er eines Tages ein weiteres Manuskript bei einem renommierten Verlag einreichte. Es waren mehr als nur Worte auf Papier, dachte er; es war ein Teil von ihm, seine intimsten Gedanken, aufregend und die Warterei auf eine Antwort kaum auszuhalten. Doch dann, bereits ein paar Tage später, erhielt unser Autor eine Rückmeldung – schneller als erwartet und keine Absage. 

„Ghostwriting ist wie das Arbeiten im Schatten. Im Schatten kann man manchmal die schönsten Dinge entdecken.“

„Die Geschichte hat Tiefe und das Konzept ist hervorragend, aber ich habe keine Idee, wie ich sie vermarkten soll“, lautete die Analyse des Verlegers. Seine Gefühle sprangen Springschnur. Für einen unbekannten Autor bedeutet jede Antwort eines Verlags, die keine Absage ist, so etwas wie einen unumstößlichen Beweis dafür, dass man es kann. Dass man sich dazugesellen darf zu den paar wenigen Auserwählten (obwohl es so wenige gar nicht sind). Veröffentlicht wurde das Buch am Ende trotzdem nicht. 

Aber – und das war die wichtigste Erkenntnis – sah man offenbar Potential in ihm. Nicht nur als Autor, sondern als jemand, der im Hintergrund arbeiten könnte; der anderen Autoren dabei hilft, ihre Gedanken zu gliedern und ihre Geschichten zu erzählen. Und so betrat unser Autor, mehr oder weniger zufällig und ohne wirklich zu wissen, was er da tat, die Welt des Ghostwriting.

Ein Ghostwriter ist weit entfernt von Ruhm und Anerkennung. Er wird engagiert, um die stille Arbeit im Hintergrund zu verrichten. Er trifft auf viele tiefgründige und intimen Facetten unterschiedlicher Menschen und taucht in eine Welt ein, in der er nicht nur den Stil und die Stimme des Autors verstehen muss, sondern auch seine Emotionen, seine Ängste und Hoffnungen. Er muss in der Lage sein, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, dessen Geschichte mit Empathie und Genauigkeit zu erzählen und dabei die Integrität des ursprünglichen Autors zu wahren. Dieses Bestreben hat lange Arbeitstage zur Folge, oft gefüllt mit endlos erscheinenden Interviews, Recherchen und dem ständigen Abwägen von Worten. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen der eigenen Stimme und jener des beauftragenden Autors zu finden, was das Ganze zu einer doch recht anspruchsvollen Aufgabe macht. Manchmal ist es so, als würde man ein psychologisches Porträt malen, jedes Detail zählt, jede Nuance ist wichtig.

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