Brauchtum statt Gewalt: Die Schleißheimer Perchten lassen alte Traditionen in den Gemeinden aufleben. Was den Perchten vom Krampus unterscheidet und wer die Zotdawaschln sind, weiß Obmann Thomas Haunschmid.
Er stampft. Er brüllt. Er sieht zum Fürchten aus. Aber nur einen Monat im Jahr. Denn hinter der Maske aus Leder mit dem aufgerissenen Maul und der Zottelmähne verbirgt sich ein ansonst nur allzu freundliches Gesicht. Das von Thomas Haunschmid, dem Obmann der Schleißheimer Perchten. Nach zwei Jahren Pandemie ist sein Terminkalender – und der von rund 70 Mitgliedern – wieder voll. Denn schon bald heißt es wieder: Die Perchten sind los!
Seit 1997 treiben die Schleißheimer Perchten ihr Unwesen. Euer Ziel war es damals, altes Brauchtum wieder zum Leben zu erwecken. Perchten, was sind die eigentlich?
Wir Perchten treiben nicht nur Unwesen als sogenannte „Schiachperchten“, sondern bringen als Schönperchten auch Glück und Segen. Normalerweise treten die Perchten mit ihren Masken aus Holz und Leder nur in den Raunächten auf, so besagt es der bayerisch-österreichische Brauch. Die ersten Perchtenläufe sind aufs Jahr 1850 datiert, erste ähnliche Veranstaltungen bereits aufs Jahr 1486.
Wie haben sich die Schleißheimer Perchten zu der Gruppe entwickelt, die sie jetzt ist?
Das war ein langer Weg. Die Schleißheimer Perchten wurden 1997 von einigen Liebhabern des Brauchtums gegründet. Die „Ur-Perchten“ bastelten damals die Masken aus Pappmaché selbst. Mein Obmann-Vorgänger hat dann mit dem Schnitzen begonnen, von da an wurden auch in den eigenen Reihen Perchten-Masken gefertigt. Heute kaufen wir sie aus Österreich und Deutschland zu – statt aus Holz sind sie aus Leder und echte handwerkliche Unikate.
Wie ist es so unter einem Perchten-Outfit?
Schwer! (Lacht) So ein Outfit kann bis zu 20 Kilogramm wiegen: der Anzug im trockenen Zustand um die sieben Kilogramm, im nassen zehn, die Maske auch um die sechs, sieben Kilogramm, dazu kommt die Glocke … Wenn es kalt ist, tragen wir unter dem Kostüm Skiunterwäsche, an warmen Tagen kommt man aber ganz schön ins Schwitzen. Außerdem ist die Sicht stark eingeschränkt.
Und was kostet eine Ausrüstung?
Im Durchschnitt mehrere hundert bis ein paar tausend Euro. „Unsere“ Perchten kaufen sich ihre Ausrüstung selbst, so schaut jeder selbst am besten darauf, dass sie nicht kaputt geht. Aber: wir vom Verein sind es, die die Perchtenmasken genehmigen und genaue Vorgaben machen. Beispielsweise dürfen keine Kunstfelle benutzt werden, nur echte, alleine schon wegen der Sicherheit bzgl. Brandschutz.
Aus wem besteht so eine klassische Perchtengruppe?
Neben den Perchten aus dem Tod, quasi dem letzten Gericht, den Engerln, die das Licht Gottes symbolisieren, der Habergoaß, einem uralten Naturdämonen, der früher von Gehöft zu Gehöft ging, um Frauen im heiratsfähigen Alter auf die Einhaltung sämtlicher Vorgaben des Gutsherren, penibelste Ordnung und Sauberkeit zu kontrollieren. Gab es einen Grund zur Beanstandung der Habergoaß, bedeutete das Schande, die betreffende Magd war gebrandmarkt und galt als unsauber und nicht ehetauglich. Außerdem gibt´s noch die Hexen, die mit dem Besen das Böse zwischen den BesucherInnen der Perchtenläufe aufstöbern. Sie kehren den Winter aus, damit der Frühling wiederkommen kann. Die Symbolik der einzelnen Gestalten hat sich über Jahrhunderte entwickelt und stammt von den Raunächten ab.
Freude, Mut und Angst liegen bei euren Auftritten oftmals nahe beisammen – gerade für Kinder ein einmaliges Erlebnis. Und doch hört man woanders immer wieder von brutalen Perchten und schmerzhaften Stockhieben. Wo liegen die Grenzen?
Ich finde es traurig, dass ein so schöner Brauch so oft in Verruf kommt. Der Percht soll Glück bringen, keine Rutenhiebe. „Schwarze Schafe“ findet man immer wieder, sie verwechseln den Brauch mit Halloween, verwenden die Symbolik missbräuchlich, fügen – oft alkoholisiert – den Menschen Schmerzen zu. Bei uns gibt es grundsätzlich keinen Alkohol vor den Auftritten, statt Ruten halten wir Rossschweife in der Hand. Uns geht´s um den Brauch, nicht ums Zuhauen.
Der Percht und der Krampus sind beide zum Fürchten, wenn´s ums rein Optische geht. Wo liegt der Unterschied?
Der Krampus ist dem Teufel ähnlich, hat ein eher menschliches Gesicht, ein einzelnes Paar Hörner, eine Rute und kommt mit dem Nikolaus. Der Percht hingegen hat tierische Gesichtszüge, mindestens zwei Paar Hörner und einen Rossschweif in der Hand. Während der Krampus mit dem Nikolaus am 5. und 6. Dezember unterwegs sind, haben die Perchten ihren Auftritt in den vier Raunächten. Normalerweise, denn wir sind als Gruppe natürlich öfter unterwegs, wegen den Auftritten auf den Christkindlmärkten.
Auch habt ihr eine eigene Kinderperchtengruppe … Erzählen Sie uns mehr!
Unsere Kinderperchtengruppe, die Zotdawaschln, fasst mittlerweile rund zwanzig Mitglieder von sechs bis 15 Jahren. Wir müssen derzeit ständig Interessierten absagen und haben einen Aufnahmestopp verhängt – es gab einfach zu viele Anmeldungen! Die Buben und Mädchen der Zotdawaschln müssen sich auch an Vorgaben halten, Holzmasken tragen, echte Felle, bei den Proben dabei sein … Viele Erwachsene haben schon als Kinder bei den Schleißheimer Perchten begonnen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Schleißheimer Perchten?
Dass es bleibt, wie es ist, mit derselben Wertschätzung füreinander. Dass nach zwei Jahren Pandemie der Zusammenhalt wieder mehr aktiviert wird. Und dass das Brauchtum noch viele Menschen in unserer Region erreicht.
Wer ist der Mensch Thomas Haunschmid hinter der Perchtenmaske?
Ja, wer ist er? (Lacht) Ein gelernter Zimmermann und Holzbautechniker bei der Firma Weixelbaumer. Er hat eine Frau und einen Sohn, die beide natürlich dabei sind bei den Perchten. Ein geduldiger, fast schon perfektionistischer Mann. Und der Kitt, der im Verein alles zusammenhält und versucht, für alle ein offenes Ohr zu haben. Meine Frau würde sagen: Ein harter Kern mit einer sehr weichen Schale.