Theresa Schnorbach ist Psychologin und Schlafwissenschaftlerin, leitet die „Sleep Consultancy by Emma“ und forscht in diesem Zusammenhang für das Unternehmen Emma – The Sleep Company rund um das Thema Schlaf.
Sport am Abend weckt die physiologische Erregung und behindert daher den Schlaf, so eine weit verbreitete Annahme. Das lässt sich so aber nicht verallgemeinern.
In einigen Studien hat sich gezeigt, dass hochintensiver Sport am späten Abend tatsächlich den Schlafbeginn verzögert, z. B. aufgrund einer erhöhten Herzfrequenz. Außerdem steigert der mit dem Sport verbundene Endorphinspiegel nicht nur die Stimmung, sondern auch die Wachsamkeit und Aktivität des Gehirns, was ebenfalls zu einer gewissen Behinderung des Einschlafens beitragen kann. Allerdings konnten diese Befunde in einigen anderen Studien und Metaanalysen nicht eindeutig wiederholt werden. Im Gegenteil, es wurden auch positive Auswirkungen auf den Schlaf nachgewiesen, wie z. B. eine kürzere Einschlafdauer oder eine bessere Schlafqualität. Dies lässt sich mit Veränderungen in der Körperkerntemperatur erklären: Während des Sports steigt die Körpertemperatur an, bevor sie, bei regelmäßiger sportlicher Betätigung, bald darauf wieder absinkt.
Temperatur beeinflusst Schlaf
Dieser Temperaturabfall nach Beendigung des Trainings ahmt die natürliche Temperaturveränderung vor dem Einschlafen nach. Denn um einzuschlafen und den Tiefschlaf aufrechtzuerhalten, sinkt unsere Körperkerntemperatur um bis zu 1-1,5°C, was wiederum eine Reihe schlaffördernder Prozesse aktiviert, wie z. B. die Melatoninausschüttung. Ein plötzlicher Temperaturabfall, der durch vorangehende körperliche Aktivität ausgelöst wird, kann unserem Körper also signalisieren, dass es Zeit zum Schlafen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn sich die Körpertemperatur in relativ kurzer Zeit ändert und nicht lange erhöht bleibt. Andernfalls kann die empfundene Wärme uns wiederum am Einschlafen hindern. Eine weitere Konsequenz der abendlichen Bewegung liegt in der möglichen Verschiebung der zirkadianen Phase. Unser zirkadianer Rhythmus, auch als innere Uhr bezeichnet, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus steuert, kann durch Sport (de)synchronisiert werden. Eine Phasenverkürzung sorgt dafür, dass wir früher einschlafen, eine Phasenverlängerung dazu, dass wir länger wachbleiben.
Individuelle Unterschiede
Sport kann uns helfen, unseren eigenen inneren Rhythmus zu manipulieren und anzupassen. Allerdings müssen hierbei interindividuelle Unterschiede berücksichtigt werden. In einer Studie wurde festgestellt, dass bei späten Chronotypen (sogenannte Nachteulen) Sport am Morgen und am Abend zu einer Phasenverkürzung führt (früher einschlafen), während bei früheren Chronotypen (Morgenlerchen) Sport am Morgen zu einer Phasenverkürzung (früher einschlafen) und Sport am Abend zu einer Phasenverlängerung (später einschlafen) führte. Für die letztgenannte Gruppe war die abendliche Bewegung also ein Hindernis für das Einschlafen, während die späteren Chronotypen davon profitierten. (Emma – The Sleep Company)