Oh, du fröhliche!

Text: Michaela Peterstorfer

Weihnachten ist das Fest der großen Erwartungen. Familiär soll es sein, friedlich, idyllisch, harmonisch, vor allem soll es so sein, wie es in der Kindheit war. Mit Weihnachten verknüpfen Herr und Frau Österreicher ein Bild der Nostalgie und Sehnsucht. 

Was ist das aber für eine besondere Zeit so gegen Jahresende? Religion, Tradition, Brauchtum – so lässt Österreich das Jahr ausklingen. 

„In der Heiligen Nacht tritt man gern aus der Tür und steht allein unter dem Himmel, nur um zu spüren, wie still es ist, wie alles den Atem anhält, um auf das Wunder zu warten“, liest man bei Karl Heinrich Waggerl (1897-1973). Und schon landet der erste Knallkörper vor der Haustür. Nicht wenige verwechseln Weihnachten mit Silvester, die ersten Raketen flitzen schon im Dezember durch die Nächte, von Stille ist keine Spur, es riecht nach Punsch.

Der Advent beginnt am Sonntag,
27. November, und endet am Samstag, 24. Dezember. Danach folgen die Rauhnächte. Nun scheint es, als hätte unser Land zum Jahreswechsel wieder viele Geister auszutreiben, aber fangen wir mit dem Guten an. Mit dem Advent. Der Begriff ist auf die lateinische Übersetzung von „adventus“ zurückzuführen und bedeutet Ankunft, Erwartung. In der christlichen Tradition bedeutete es Mäßigung bis zum 24. Dezember, um auf das große Fest vorbereitet zu sein. Der religiöse Brauch des Fastens und der Einkehr wird heute kaum noch gepflegt, aber vieles andere doch.

Brauch Nr. 1 

der Weihnachtsbaum 

Zunächst kehrt der Baum ein in Stadt und Land. Es ist Brauch, dass besonders schöne, hohe Fichten oder Tannen an Hauptplätzen aufgestellt und mit Lichterketten versehen werden. Nun gehört es scheinbar dazu, die ausgesuchten Bäume vorerst einmal zu verspotten. „Schon wieder schiach“, titelte der Kurier Ende Oktober, als die 30-Meter-Fichte aus Admont für den Rathausplatz auserkoren wurde. So gebe es, laut Kurier, einen inoffiziellen Wettbewerb unter den acht Bundesländern: Wer könne Wien den hässlichsten Christbaum liefern. Wenn aber am 19. November erstmals die Lichter erstrahlen, so lehrt es die Geschichte, sind wieder alle versöhnt.  

Brauch Nr. 2

Adventskranz UND -kalender

Kein Weihnachten ohne Adventskranz! Es gibt sie aus Weide, Plastik und anderen Materialien, doch in den meisten österreichischen Haushalten sind Adventskränze tief in der Tradition verankert. Das Tannengrün steht für Hoffnung und Leben, die vier Kerzen spenden mit jedem Adventssonntag mehr Licht. Symbolisch soll damit die zunehmende Erhellung in Vorfreude auf „das Licht der Welt“ (die Geburt von Jesus Christus) ausgedrückt werden. 

Um den Kindern die Wartezeit auf Weihnachten zu verkürzen, wurde im 19. Jahrhundert der Adventskalender erfunden. Heute bringen Kalender aller Art die Supermärkte zum Bersten. In Nachkriegszeiten jedoch war die Freude eine andere, bescheidenere: „Mein Vater schnitzte mir eine kleine Krippe aus Holz. In der Adventszeit durfte ich täglich einen Strohhalm in die Krippe legen und am Heiligen Abend konnte man sehen, ob das Jesuskind, in Form eines kleinen Püppchens, schön gepolstert lag. Diese Krippe war schöner als alle Adventskalender, die ich später bekam“, schildert Brigitta Burkert, Tochter einer vertriebenen Familie aus dem Sudetenland, ihre Erinnerungen.

Ein selten gewordenes Duo, der gute Nikolaus und der wüste Krampus
mit Birkenrute. Weh dem, der nicht brav war! © ORF Religion
Brauch Nr. 3 

Nikolaus und Krampus

Am Vorabend des 6. Dezember, dem Festtag des heiligen Nikolaus, stellen Kinder ihre Stiefel vor die Tür, damit sie der Heilige auf seinem Weg
von Haus zu Haus mit Erdnüssen, Schokoladen, Mandarinen oder Lebkuchen füllen könne. So zumindest war es Tradition und ist es auch heute noch, vorwiegend in Landgemeinden, wo der Nikolaus auch noch ins Haus kommt. Begleitet wird er dabei oft vom „Kramperl“. 

Der Name leitet sich von altdeutsch Krampen = „Kralle“ oder bayerisch Krampn = etwas Lebloses, Vertrocknetes, Verdorrtes ab. Dass der Krampus oft (und fälschlicherweise) in Gestalt von furchterregenden Perchten bei diversen Läufen, so genannten „Perchtenläufen“, heute fast noch beliebter ist als der Nikolaus, hat vielleicht mit der Freude am Schaurigen zu tun. Und mit dem Brauch des Geisteraustreibens. 

© Steyr Nationalpark
© Postamt Christkindl
Brauch Nr. 4 

Das Christkind

Nicht der Weihnachtsmann kommt, es ist das Christkind! Kleinkindern erzählt man, es flöge von Haus zu Haus, um Briefe, die auf Fenstern lägen, einzusammeln und die darauf notierten Wünsche zu erfüllen. Auf Christkindlmärkten wankt es mit goldenem Haar an Handwerkständen vorbei und in Wels, hört man, sitzt es im Ledererturm, um fotografiert zu werden.

Es ist also kein Weihnachtsmann, oh nein, Österreich beharrt auf sein Christkind und hängt ihm auch noch ein L an. In Christkindl bei Steyr wurden 196,5 Meter Stoff und Borten sowie 540 kristallfarbene Swarovski-Steine zu einem Kostüm verarbeitet. Nach altem, auf die Barockzeit zurückgehendem Brauch tritt es in Spenzer, Rock und Mantel, einer Krone und einem Häubchen an den Adventwochenenden in Erscheinung. Und das ist weltweit einzigartig: Kinder, die an die Adresse — Postamt Christkindl, Christkindlweg 6, 4411 Christkindl – ihre Wünsche schreiben, erhalten umgehend Antwort inklusive Sonderstempel- und Briefmarke. Beigefügt sollte ein ausreichend frankiertes und adressiertes Kuvert sein. Jedes Jahr verlassen zirka zwei Millionen Briefsendungen das örtliche Postamt.

Den Erzählungen nach soll nach dem Krieg ein US-Soldat auf die liebevolle Idee gekommen sein, ein Postamt für das Christkind einzurichten. Unterkunft fand es bald im Wirtshaus „Zur schönen Aussicht“, dem heutigen Hotel/Restaurant Christkindlwirt. © Postamt Christkindl
Brauch Nr. 5 

Die Krippe

Weihnachtskrippen, wie wir sie kennen, gehen mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Heiligen Franz von Assisi zurück. Er stellte im Jahr 1123 das erste Mal die Weihnachtsgeschichte mit lebenden Tieren und Personen nach. Heute beherbergt fast jedes Haus ein „Kripperl“, ob selbst gebastelt oder gekauft. Wir unterscheiden zwischen Kastenkrippen (in eine Kiste eingebaut), Orientalische Krippen, die das Geschehen im Heiligen Land nachstellen, und Heimatkrippen mit typischen Merkmalen (z. B. alpenländische Krippe mit Winterlandschaft). Bei der traditionellen Kripperlroas von Weihnachten bis Ende Jänner zeigen Kirchen und Privathäuser ihre schönen, oft jahrhundertealten Exemplare, die es zu bestaunen gilt. Molln beeindruckte dieses Jahr sogar mit 100 Krippen in der freien Natur, in Ebensee hingegen zieht die Kripperlroas nach altem Brauch von Haus zu Haus. Die Adressen der Aussteller liegen alljährlich im Tourismusbüro auf. 

Brauch Nr. 6 

Der Schnee

Schnee? Kein Schnee zu Weihnachten! Darauf steht auch in diesem Jahr jede Wette. Dass in der Nacht zum 24. leise der Schnee rieselt, bleibt nur ein Wunschdenken und die fatale Wette von Experten: „Heuer schneit es wieder nicht.“ Oder doch? 

Brauch Nr. 7 

Stille Nacht

Liebevoll aufgeputzt mit Kugeln, Strohsternen oder anderem Gehänge, wundersam beleuchtet mit Kerzen und Lichterketten wird der Christbaum gegen Abend des 24. Dezember zum erhellenden Mittelpunkt im Raum.  Viele entzünden das ORF-Friedenslicht, das zuvor von einem Kind aus Betlehem geholt wurde, und viele gehen in die Christmette. Zu Weihnachten trifft sich das gläubige Österreich mit den Bewahrern von Tradition und Familiensinn in den Kirchen. Und der Gesang ist überall gleich – keine heilige Nacht ohne „Stille Nacht“, das erfolgreichste österreichische Lied aller Zeiten.

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