„Quiet Quitting“

Die Jungen und das neue Arbeiten | Text: Rafael Haslauer

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Wenn sich die ältere Generation über die jüngere wundert, hat das meist mit ihrem Sprachgebrauch oder ihrem unkonventionellen Kleidungsstil zu tun. Man versteht die Worte nicht mehr und ist irritiert über zu viel oder zu wenig Stoff, der den Körper bedeckt oder eben nicht. Nun gibt es seit Kurzem eine weitere Entwicklung, die der Generation Alt den Schweiß der Entrüstung auf die Stirn treibt – die Generation Jung will offenbar nicht mehr arbeiten, „und wo soll das bitte noch hinführen“?

Ein TikTok-Video von „zaidleppelin” war ausreichend, um einen Trend anzustoßen, der die Arbeitsmoral der Generation Z in Frage zu stellen vermag: „Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität“, heißt es darin. Warum ein solches Video überhaupt jemanden interessiert? Nun ja, wenn ein Video in den sozialen Medien fast dreieinhalb Millionen Mal angeklickt wird, hat es unter Umständen eine gewisse Relevanz. 

Besonders in den USA wird seither viel über „Quiet Quitting“, also die „stille Kündigung“, und dessen Ursachen geredet und was in den USA Thema ist, wird früher oder später auch bei uns eines sein. Doch was bedeutet der Begriff genau und was hat er mit der eigentlichen Kündigung zu tun?

Work-Life-Balance als höchstes Gut

Um genau zu sein, nichts. Auch das wird im Video deutlich. „Man kündigt nicht seinen Job, geht aber auch nicht mehr die sprichwörtliche Extrameile für den Arbeitgeber“. Quiet Quitting wird demnach als Arbeitseinstellung bezeichnet, bei der die ArbeitnehmerInnen über das Notwendigste hinaus kein zusätzliches Engagement in die Arbeit einbringen und nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machen. Der Fokus liegt auf einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und dem Schaffen persönlicher Freiräume und das ist für eine Generation, die durch ihre harte Arbeit den heutigen Wohlstand aufgebaut hat, schwer zu verstehen. Ungewohnt ist die Situation auch für die Arbeitgeber, zumal die Zeiten, in denen man sich MitarbeiterInnen wie aus dem Katalog aussuchen konnte zumindest vorübergehend vorbei sind. Was noch erschwerend hinzu kommt: Aufgrund des Personalmangels müssen nun jene, die im Unternehmen bleiben, mehr leisten, was die Entwicklung des Quiet Quitting zusätzlich ankurbelt. Es gibt aber noch weitere Gründe.

Quiet Quitting ALS großes Problem unserer Zeit

ExpertenInnen betonen, dass der Trend zur stillen Kündigung nicht als generelle Unmotiviertheit missverstanden werden sollte. Es gehe vielmehr darum, für das eigene Wohlbefinden Grenzen zu setzen, Prioritäten zu definieren und Überlastungen zu vermeiden.
Eigentlich etwas, was selbstverständlich sein sollte. Denn wie bei allem im Leben sollte auch Quiet Quitting nicht nur negativ gesehen werden, kann es doch auch ein Weckruf für das Unternehmen sein, eine gelungenere Arbeitssituation zu schaffen in der die MitarbeiterInnen wieder motiviert und produktiv sein können und auch wollen.

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Werte neu ausgerichtet

Geänderte Wertvorstellungen haben insbesondere bei den jüngeren Generationen zu einem starken Fokus auf die Work-Life-Balance geführt. Im Gegensatz zu ihren Eltern legen sie weniger Wert auf die Bestätigung im Job und den beruflichen Erfolg generell. Stattdessen schätzen sie ihre Freizeit, die Zeit mit Familie und Freunden sowie das Ausüben ihrer Hobbys. Sie schätzen es zu reisen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Diese neue Einstellung kontrastiert mit der traditionellen Vorstellung, bei der ein Job das Zentrum des Lebens darstellt und verdeutlicht den Fokus auf persönliches Wohlbefinden und individuelle Entfaltung.

Unzufriedenheit im Job

Wer keinen Spaß im Job hat oder ihn als sinnlos empfindet, geht naturgemäß nicht gerne in die Arbeit. Doch auch das Arbeitsklima, Konflikte am Arbeitsplatz, ein unzureichendes Gehalt oder ausbleibende Beförderungen trotz guter Leistungen können zu Unzufriedenheit am Arbeitsplatz führen und Frustration bei den Beschäftigte hervorrufen. Über einen längeren Zeitraum hinweg kann diese Frustration zu Quiet Quitting führen, bei dem die MitarbeiterInnen sozusagen innerlich aussteigen, ohne aktiv den Job zu wechseln. 

Entfremdung

Die Corona-Pandemie führte in vielen Unternehmen zu vermehrtem Homeoffice, was sowohl für MitarbeiterInnen als auch für Arbeitgeber zahlreiche Vorteile mit sich brachte. Andererseits sind die daraus resultierenden reduzierten Kontakte mit KollegenInnen, der schwindende Zusammenhalt und die abnehmende Teamarbeit sowie eine Entfremdung vom Unternehmen und seinen Werten zentrale Nachteile, die nun vielleicht stärker wiegen als ursprünglich gedacht. Denn wenn Maßnahmen zur Stärkung des Teamgefühls im hybriden Arbeitsmodell ausbleiben, wächst die Gefahr, dass MitarbeiterInnen ihr Engagement verlieren und in den Quiet-Quitting-Modus wechseln.

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