IN GMUNDEN DIE LIEB’ ABSTATTEN

WIB-SERIE: Typisch Österreich, Text: Michaela Peterstorfer

© Klemens Fellner

Lebkuchenherzen gibt es auch auf Kirtagen und Märkten, aber nirgends ist der Herzerlaustausch so authentisch wie beim Liebstattsonntag in Gmunden. Ein Fest auch für die Goldhauben.

Einmal jährlich, am vierten Fastensonntag, blicken selbst die Bergsteiger vom Traunstein verzückt hinunter in die Stadt am Traunsee. Dort wird auch heuer wieder ein buntes Treiben von gut gelaunten Menschen zu sehen sein, die nur deswegen nach Gmunden kommen, weil  einen ganzen Tag lang innigste Liebessprüche auf verzierten Lebkuchenherzen das Sagen haben. 

Es ist der Liebstattsonntag und das Motto liegt in der Luft: „Gegen jede Art von Schmerz hilft ein echtes Liebstattherz“. „Ich liebe dich“, „Nur du und ich“: Sprüche, die von den Gmundner Konditoren Grellinger, Baumgartner, Hinterwirth und Steiner kreiert und auf die Backware mit allerlei Verzierungen gespritzt werden. Auf große und kleine Herzen zum Umhängen oder Verzehr.  

© Wolfgang Spitzbart

EIN FEST DES SCHENKENS

Der alte Brauch „Liebe abstatten“ geht auf das Jahr 1634 zurück. Damals lud die Corpus Christi Gemeinschaft die Armen der Pfarrgemeinde nach dem Kirchgang zu einem Festschmaus ein. Der Liebstattsonntag als Fest der Liebe, des Schenkens und Beschenktwerdens hat sich bis heute erhalten, wenn auch in veränderter Form. Es ist dem „Trachtenverein Traunseer“ zu verdanken, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg darniederliegende Tradition wieder aufleben konnte. Seit 2014 zählt der Liebstattsonntag zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Die Veranstaltung am Sonntag, 19. März beginnt wie immer mit der Bauernmesse in der Stadtpfarrkirche um 9.30 Uhr. Höhepunkt ist der große Festzug durch die Altstadt bis zum Rathausplatz, gefolgt von einem Platzkonzert und dem Verkauf von Lebkuchenherzen bei den „Standln“. Es gibt ein „Herzerlverzieren“ für die Kinder und das Keramikmalen für die ganze Familie.

© Klemens Fellner

GELEBTES BRAUCHTUM 

Und auch sie werden am Liebstattsonntag in ihren langen Seidenkleidern mit stolz erhobenem Haupt – und Haube – durch die Gassen ziehen: die Goldhaubenfrauen. Seit vielen Jahren obliegt es dem Verein „Traunseer“ unter Obmann Franz Wolfsgruber, die originalen Bürgerstrachten von Gmunden lebendig zu halten. Die Goldhaubenfrauen  sind ein Teil davon – wie überhaupt die kunstvoll gestickten Hauben samt Trägerinnen signifikant überall dort in Erscheinung treten, wo es darum geht, ein Fest zu umrahmen. 

Jedes Kind weiß: die Goldhauben sind typisch für unser Bundesland, am bekanntesten ist dabei die Linzer Goldhaube. Auch in Bayern, Salzburg und Niederösterreich wird diese Tradition wach gehalten. In der Schilling-Ära zeigte sich die Wachauer Goldhaube sogar auf der Vorderseite des Zehners.   

Die Bedeutung der Haube selbst reicht weit ins Mittelalter zurück. Sie galt als Symbol der verheirateten Frau und ab 1770 entwickelten sich aus den Schleiern und Tüchern der Mädchen und einfachen Landbevölkerung feste Formen. Gold war die Farbe der gesellschaftlichen Elite und jahrhundertelang dem Adel vorbehalten, die Goldhaube gehörte zur Festtracht der Bürgerin. Später wurde sie von den reichen Bäuerinnen übernommen und ist mittlerweile in allen Gesellschaftsschichten anzutreffen. 

© Klemens Fellner

UNESCO-WELTKULTURERBE

„Unter die Haube kommen“: Die Redensart gilt noch immer süffisant fürs Heiraten. Die Symbolik dahinter ist längst überholt und auch junge Frauen mit oder ohne Ehering tragen Goldhauben. „Natürlich sind sie willkommen“, konstatiert die Gmundner Bezirksobfrau Maria Wicke, die mit ihren 25 Ortsgruppen ein aktives und vor allem auch karitatives Vereinsleben führt. Was sie freut: „Den heranwachsenden jungen Frauen wird mit dem Mädchenband eine schicke
Alternative geboten, denn die Herstellung einer Goldhaube ist teuer und zudem zeitaufwändig.“

Seit 2016 wird die Goldhaube als immaterielles Kulturerbe der UNESCO geführt. Zur Fertigung, wozu auch Kurse angeboten werden, gilt es Kupferplättchen, Flitter, Folien und Goldperlen auf ein goldenes Stoffband zu sticken. Zur Ausstattung gehören aber auch  lange Seidenkleider von schwarz, dunkelblau bis grün, violett oder rot. 

Noch gibt es nicht viele junge Goldhaubenträgerinnen, die an diversen Umzügen teilnehmen, und noch überwiegen die Damen reiferen Alters in Begleitung von Kindern mit den typischen Perlen- und Goldhäubchen. Aber – den Gmundnern ist alles zuzutrauen. So wie der Liebstattsonntag wird auch die Tradition der Goldhauben ganz sicher in die nächste Generation getragen.

© Klemens Fellner

Liebstattsonntag Salzkammergut Kultur

Sonntag, 19. März 2023. Zu empfehlen ist die Anreise per Zug mit Umstieg in die Nostalgiebahn bis zum Rathausplatz.

Die Goldhaube Oberösterreich

Rund 18.000 Frauen, geleitet von 17 Bezirksobfrauen, engagieren sich derzeit in Oberösterreichs Goldhauben-, Kopftuch- und Hutgruppen. Eine davon ist die Gmundner Bezirksobfrau Maria Wicke (l.)

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